Ausstellungseröffnung

Heute wurde die Ausstellung in in der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt, Schloss, offiziell eröffnet. Sie läuft vom 12. Oktober bis 12. November 2004 (Öffnungszeiten Mo.-Fr. 9-22 Uhr, Sa. 9-18 Uhr). Ausgestellt werden vor allem eine Auswahl der Bücher von Henny Koch, neben den deutschen auch einige ausländische Ausgaben, insgesamt 55 Bücher, Fotos und Dokumente über ihr Leben und Werk. Alle ausgestellten Bücher stammen aus meiner persönlichen Sammlung.

Zu Unrecht vergessen

echoGeburtstag: Vor 150 Jahren wurde die Jugenheimer Autorin Henny Koch geboren
Eine Ausstellung in der Universitäts- und Landesbibliothek erinnert an ihr Leben und Werk

DARMSTADT. Wer kennt heute noch Henny Koch? Die 1925 in Jugenheim gestorbene Jugendbuchautorin wäre am 22. September 150 Jahre alt geworden, doch kaum einer erinnert sich an sie. „Zu Unrecht“, wie die Jugenheimerin Dana Rothstein findet: „Kochs Bücher waren regelrechte Bestseller ihrer Zeit.“ Zum 150. Geburtstag der Autorin hat Rothstein eine Ausstellung in der Darmstädter Universitäts- und Landesbibliothek organisiert.

Seit 1997 beschäftigt sich die Bauingenieurin in ihrer Freizeit mit Henny Koch: „Eine Bekannte schenkte mir damals eines ihrer Bücher, und ich wollte mehr über die Autorin wissen.“ Bis ins englische Oxford reiste die Achtundzwanzigjährige, um aus Archiven Daten und Fakten zum Leben der Schriftstellerin zusammenzutragen. „Koch wohnte mit ihrer Mutter und ihrer Schwester ab 1881 in der Zwingenberger Straße 20 in Jugenheim“, sagt die Biografin. Das Haus nannte die Familie „Die Klause“. Noch heute hängt ein Schild mit diesem Namen am Gartenpfosten des inzwischen unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes.

Die 1854 in Alsfeld geborene Henny Koch veröffentlichte ab 1900 Fortsetzungsgeschichten für Mädchen im Alter von zwölf bis 17 Jahren in der illustrierten Mädchenzeitung „Das Kränzchen“. „Was sie schrieb, wird Backfischliteratur genannt“, erklärt Dana Rothstein. Die Geschichten handeln in der Regel von vermeintlich schlecht erzogenen Mädchen, die am Ende trotzdem glücklich heiraten.

Backfischliteratur macht einen großen Teil der Sammlung aus, die Dana Rothstein über die in Vergessenheit geratene Jugenheimer Schriftstellerin Henny Koch angelegt hat. Foto: Günther JockelUntypisch an Henny Kochs Backfisch-Geschichten sei jedoch, so Rothstein, dass sie viel Wissen über Kriege, Reisen und Kolonialismus habe einfließen lassen. Der Roman „Im Lande der Blumen“ spielt in Japan, andere Geschichten in Italien und Ostafrika. „Einige der Orte kannte sie ähnlich wie Karl Mey wohl nur aus Büchern“, sagt Rothstein. Die Familie habe jedoch zumindest Verbindungen nach England gehabt, da Henny Kochs Schwester dort längere Zeit lebte. Auch ein Aufenthalt der Autorin in Venedig ist belegt.

Die Mädchengeschichten wurden später auch in Buchform veröffentlicht: Der Roman „Papas Junge“ erschien in Deutschland in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts in der 94. Auflage. Andere Titel wurden ins Spanische und Italienische übersetzt: „Noch in den sechziger und siebziger Jahren wurden diese in Argentinien und Italien verkauft.“ Die Sammlerin Rothstein vermutet außerdem, dass es zur Jahrhundertwende einen literarischen Freundeskreis in Jugenheim gab, dem neben Henny Koch auch die Jugenheimer Schriftsteller Helene Christaller und Reinhard Roehle angehörten. Beide Schriftsteller verfassten einen Nachruf auf Koch; außerdem taucht eine Jugenheimerin namens Henny in einem von Christallers Büchern auf.

Thomas Riedel
Darmstädter Echo, 8.10.2004

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Der vergessene Backfischliebling

Heute vor 150 Jahren: Schriftstellerin Henny Koch in Alsfeld geboren – 29 Romane verfasst

ALSFELD (rwh). Auch Erfolg schützt vor Vergessen nicht. Heute vor 150 Jahren ist in Alsfeld eine Frau geboren, die zu ihren Lebzeiten eine bekannte Schriftstellerin war und heute fast völlig in Vergessenheit geraten ist, auch und gerade in ihrer Geburtsstadt: Am 22. September 1854 kam Henny, eigentlich Henriette, Koch in Alsfeld zur Welt.

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Die Tochter eines Leinenfabrikanten wurde zu ihren Lebzeiten zu einer viel gelesenen Jugendschriftstellerin, vor allem bei jungen Mädchen. Sie verfasste 29 Bücher, überwiegend Backfischromane, die meisten zunächst als Fortsetzungsgeschichten in der illustrierten Mädchenzeitung „Das Kränzchen“, die ihre Autorin in einer Verlagswerbung als „der erklärte und bevorzugte Liebling unserer deutschen Mädchenwelt“ bezeichnet. Henny Kochs Bücher wurden in fünf Sprachen übersetzt, dienten als Drehbuchvorlagen für Verfilmungen – und doch ist die Autorin heute völlig in Vergessenheit geraten, ihr 150. Geburtstag ist für die Feuilletons im Lande kein Anlass zu tiefgründigen Betrachtungen über das Verschwinden eines Literaturgenres.

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Dass Henny Koch nicht völlig aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit verschwindet, hat sie einer faszinierten Leserin zu verdanken. Dana Rothstein, heute 29-jährige Bauingenieurin, bekam als junges Mädchen einen Henny-Koch-Roman geschenkt. Sie wurde neugierig auf die Autorin, wollte mehr über sie wissen und stellte zu ihrer Verblüffung fest, dass sie im gleichen Ort zu Hause war, in dem sie selbst wohnt: im südhessischen Jugenheim. Dorthin war Henny Koch 1881 mit ihrer Tante Sophie Ernst gezogen. Schon Jahre zuvor hatte sie Alsfeld verlassen, die Familie hatte sich in Büdesheim bei Bingen niedergelassen, wo der Vater eine Weinhandlung betrieb.

Ein knappes Jahrzehnt nach dem Umzug an die Bergstraße begann Henny Kochs schriftstellerische Karriere, zunächst mit Übersetzungen amerikanischer Autoren, 1901 schrieb sie, mittlerweile einem literarischen Kreis in ihrer neuen Heimatstadt angehörend, ihr erstes eigenes Buch: „Mein Sonnenstrahl“ mit dem Untertitel: Eine Erzählung für erwachsene junge Mädchen. Damit war der Ton vorgegeben, den Henny Koch bis zu ihrem Tod 1925 in Jugenheim in ihren Büchern beibehielt. Backfischliteratur wie es im Literaturlexikon heißt, aber durchaus um „untypische Themen“ erweitert, sagt Dana Rothstein, mittlerweile zur Henny-Koch-Expertin geworden. Mädchenkriegsromane, Mädchenkolonialromane, Mädchenreiseromane, historische Mädchenromane – „von all diesen Gattungen finden sich Exemplare in ihrem Werk“.

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Dana Rothstein muss es wissen. 28 der 29 Romane von Henny Koch kennt sie und hat sie im eigenen Bücherschrank stehen, ihr fehlt in ihrer Sammlung lediglich „Glory“, eine „lustige deutsche Mädelgeschichte“ aus dem Jahre 1921. Eine ganze Reihe der Bücher besitzt sie in Übersetzungen, in Norwegen, den Niederlanden, Italien, Spanien und Argentinien wurde Henny Koch damals verlegt. Eine holländische Ausgabe erhielt Dana Rothstein per Internet-Kontakt einmal aus Kanada zugeschickt. In Italien wurde einer der Romane in den 40er Jahren sogar verfilmt.

Je mehr sich die junge Jugenheimerin mit der Autorin befasste, um so stärker wuchs auch der Wunsch, mehr über den Geburtsort von Henny Koch in Erfahrung zu bringen. 1997 nahm sie Kontakt mit Alsfelds Stadthistoriker Dr. Herbert Jäkel auf, der schon 1992 in der Heimat-Chronik der OZ und in den Mitteilungsblättern des Geschichts- und Museumsverein die Familiengeschichte der Familie Koch geschildert hatte, wobei Henny Koch allerdings nur kurze Erwähnung fand. Beleg für die These, dass ihre spätere schriftstellerische Entwicklung in Alsfeld weitgehend unbekannt geblieben war.

In der vergangenen Woche war Dana Rothstein zum ersten Mal in Alsfeld, verschaffte sich einen Eindruck vom Geburtshaus „ihrer“ Schriftstellerin am Ludwigsplatz und stattete dem Stadtarchiv im Beinhaus einen Besuch ab. Ihr Besuch diente der Vorbereitung einer Ausstellung, mit der an Henny Koch erinnert werden soll. Aus Anlass ihres 150. Geburtstages zeigt die Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt vom 12. Oktober bis 12. November eine Auswahl ihrer Bücher, außerdem Dokumente und Fotos über die Schriftstellerin und aus ihrem Leben.

Roland Heinrich
Oberhessische Zeitung, Alsfeld, 22.09.2004